Zehn Jahre Lesecafé im Haus der Stadtbibliothek und der VHS Bayreuth, dem RW21. Ein Geburtstag, der Anlass zum Feiern gibt und ein Grund ist, stolz zu sein auf ein Projekt, das alle positiv überrascht hat.
Leider müssen derzeit aber aufgrund der Pandemie die Feierlichkeiten auf einen späteren Zeitraum im Jahr verschoben werden.
An dieser Stelle gibt es daher aber einen Rückblick und an dessen Ende ein Link, der zu einer kleinen Bildershow mit Impressionen aus der Anfangszeit des Leuchtturmprojektes der Diakonie und des Lebenswerks führt.
Ein Café in einer Bibliothek und dann auch noch betrieben von Menschen mit Behinderung: Kann das funktionieren?
Dr. Michael Hohl, der damalige Oberbürgermeister der Stadt Bayreuth, Beatrix von Guaita, die Leiterin der Volkshochschule, Jörg Weinreich, der Chef der Stadtbibliothek und das Projektteam der Lebenswerk gGmbH – ein Unternehmen der Diakonie Bayreuth glaubten daran.
Warum? Weil das Lebenswerk seinen Mitarbeiter*innen mit Behinderung dies zutraute!
Trotzdem war vonseiten des Lebenswerks intern und extern viel Überzeugungsarbeit zu leisten, und die Zeitschiene von sechs Monaten war äußerst knapp bemessen. Mit einem Team von drei Leuten – Gerhard Tröger als Projektleiter, Gabriela Brud als Caféhausleitung und Nadine Strömsdörfer als Leiterin der Backstube fing im November 2010 alles an: Absprachen mit der Stadt Bayreuth als Bauträger für das RW21 und dem Ordnungsamt standen an erster Stelle. Es galt schließlich ein komplettes Café einzurichten: Stühle, Tische, Theke – alles musste geplant, gekauft und platziert werden.
Anfang Dezember 2010 ging es damit los die Mitarbeiter*innen zu finden. Das Projektteam wollte auch hier neue Wege gehen und man schrieb die Stellen intern aus und verlangte eine Bewerbung der Menschen mit Behinderung, die im Café arbeiten wollten. Da die neuen Arbeitsplätze im RW21 nahe am ersten Arbeitsmarkt angesiedelt waren, sollten eben auch die üblichen Anforderungen dazu gestellt werden. Und so bewarben sich auf 12 Stellen insgesamt fast 30 Mitarbeiter*innen aus allen Häusern des Lebenswerks. Die Auswahl fiel entsprechend schwer. Aber jeder wurde – jeweils in Dreier-Teams – zu einem Vorstellungsgespräch geladen. Auch wenn dies für viele der Kolleg*innen das erste Vorstellungsgespräch in ihrem Leben war, liefen diese Gespräche sehr gut. Und die Leute, die zu nervös waren um die Frage „Warum willst Du dort arbeiten“ zu beantworten, zeigten dies indem sie dem Projektteam vormachten, dass sie gerne kochten und Zwiebel schnitten.
In die Trainingsphase von Mitte Dezember 2010 bis Ende Januar 2011 konnte dann mit 23 Menschen mit Behinderung gestartet werden. In der noch nicht ganz fertigen Baustelle des RW21 ging es eines Morgens los. Kalt war es und geschneit hatte es über Nacht, als man sich um acht Uhr im zukünftigen Lesecafé traf, um alles zu lernen, was eine gute Bedienung, ein klasse Bäcker oder ein erfahrener Barista können muss, um die zukünftigen Gäste zufriedenzustellen.
Gut nur, dass es den Bildschirm schon gab – auf dem der Film mit dem dauernd brennenden Feuer schon lief – das wärmte. Und gut, dass die Kaffeemaschinen schon angeschlossen waren – denn ein süßer Cappuccino tröstete hinweg über den Berg von Arbeit, der noch vor einem lag.
Doch irgendwann war es geschafft:
Das Tablett mit den gefüllten Sektgläsern (erst aus Plastik, dann aus Glas) konnte von jedem einzelnen durch eine Menschenmenge getragen werden. Jedes Getränk konnte in die richtige Tasse oder das richtige Glas eingeschenkt werden und jede Bestellung wurde ordnungsgemäß an der Kasse abgerechnet. Genau zu dieser Zeit kamen auch die ersten Überraschungen aus der eigenen Bäckerei: die Käsesahnetorte, die Gemüsetarte und der leckere Obstsalat.
Und es bildeten sich Vorlieben heraus: Der große, starke Mann – einstmals im Bereich Holz und Metall zu Hause – wurde der beste Käsesahnetortenbäcker, den Bayreuth je gesehen hatte und der kleine wendige Ältere einer der beliebtesten Oberkellner, den man selbst in Wien nicht hätte besser finden könnten und bei dessen Verabschiedung in den Ruhestand einige ältere Stammgäste Tränen verdrücken mussten. Da wäre auch noch die schüchterne Mitarbeiterin zu erwähnen, die sich nie getraut hatte, andere Menschen anzusprechen und die – während des größten Stresses – der ruhige Pol war und als Bedienung, aber auch in der Küche wahre Meisterleistungen vollbrachte.
Über 300 Gäste zum Pre-Opening und in den ersten Wochen bis zu 200 Gäste pro Tag, und trotzdem hat alles geklappt: Kein Glas ging zu Bruch, keine Bestellung dauerte länger als üblich, und die Gäste waren begeistert vom Lesecafé. Diese Begeisterung hält bis heute an. Stammgäste, Kursteilnehmer der VHS, die Kinder und Jugendlichen, die in ihren Pausen aus den umliegenden Schulen ins RW21 kommen und nicht zuletzt alle Personalmitarbeiter*innen des RW21: Alle loben das SAMOCCA.
Was bleibt noch zu sagen, außer: DANKE.
DANKE an das Team, welches das SAMOCCA aufgebaut hat – sowohl das Personal als auch die Mitarbeiter*innen. Es wurde oft Engagement gezeigt, das über das Übliche hinausging.
DANKE an das ganze RW21, denn die Menschen mit Behinderung wurden in diese – und das darf man hier wirklich sagen – RW21-Familie aufgenommen und herzlichst integriert.
DANKE an die damaligen Verantwortlichen der Stadt Bayreuth mit Oberbürgermeister und Stadtbauamt: Ohne das Sich-Einlassen auf die Werkstatt wäre es nicht gegangen.
Und DANKE an alle Gruppenleiter, Sozialdienste und weitere Personalmitarbeiter, die gerade am Anfang dieses Leuchtturmprojekt mit persönlichem Engagement unterstützt oder die Mitarbeiter*innen mit Behinderung ermutigt haben, im SAMOCCA zu arbeiten.
Und für die nächsten zehn Jahre? Lassen Sie sich überraschen, wir werden noch viel mehr miteinander möglich machen!
Die Bilder aus der Anfangszeit finden Sie hier in einer kleinen Bildershow.
Text: Gerhard Tröger – Lebenswerk gGmbH